Schmerzhaft, peinlich oder teuer
Viele heutige, auch in Bayern gängige Hochzeitsbräuche lassen sich gar nicht eindeutig dem einen oder anderen Landstrich zuordnen. Zum Beispiel die Brautentführung wird mindestens deutschlandweit praktiziert, das Brautstraußwerfen hat schon eher internationalen Charakter, ebenso wie die Sache mit dem Reis oder der Gang durchs Spalier.

Ein Brauch aus dem finsteren Mittelalter: die Brautentführung
Die Tradition der Brautentführung geht zurück bis ins Mittelalter, wo sich so mancher Gutsherr das „Recht der ersten Nacht“ an seiner Untertanin sichern wollte. Aufgabe der Trauzeugen war es, die Entführung und Vergewaltigung der Braut notfalls unter Einsatz des eigenen Lebens zu verhindern. Heute wird dieser Brauch glücklicherweise etwas anders interpretiert. Die Braut wird von Hochzeitsgästen entführt und in einem Wirtshaus versteckt, wo der Bräutigam dann die Zeche der Entführer zu bezahlen hat, wenn er seine frisch Angetraute wiederhaben will. Außerdem sollte er ein Gstanzl parat haben. Wenn der Bräutigam Pech hat, muss er die Spur seiner entführten Braut durch mehrere Wirtshäuser verfolgen…
In direktem Zusammenhang mit der Entführung steht oft der Brautstrauß. Der Bräutigam besorgt ihn und überreicht ihn seiner Zukünftigen kurz vor der kirchlichen Trauung. Ihre Aufgabe ist es dann den Strauß nicht mehr aus den Augen zu lassen. Denn wenn er gestohlen wird, dann darf die Braut entführt werden und es folgt die oben beschriebene teure Wirtshaus-Tour für den Bräutigam.
Typisch bayerische Hochzeitsbräuche
Neben den Trauzeugen gibt es noch das Kranzlpaar. Das sind meist zwei Unverheiratete, die die Trauzeugen bei ihren Aufgaben unterstützen. Beispielsweise sind sie dafür zuständig, vor oder nach der kirchlichen Trauung Schleifchen oder Anstecker an die Gäste, oft gegen Spende, zu verteilen. Damit weisen sich die Gäste dann als Teilnehmer der Hochzeitsgesellschaft aus.
Ganz wichtig ist der Einsatz des Kranzlpaars beim Hochzeitstanz. Die beiden müssen als erstes Paar nach dem Brautpaar auf der Tanzfläche sein, sonst müssen die beiden eine Lokalrunde spendieren.
Direkt nach der kirchlichen Trauung wird die Straße von Kindern des Ortes und/oder den Ministranten abgesperrt und erst gegen Wegzoll wieder freigegeben. Der ist in der Regel von jedem einzelnen Auto der Hochzeitsgesellschaft zu entrichten.
Beim Maschkern (bayerisch für „maskieren“) geht es oft derb zur Sache. Unter der Regie eines Harlekins werden Anekdoten aus dem Leben des Brautpaars zum Besten gegeben. Das geht von lustig bis peinlich und ist nicht immer der objektiven Wahrheit verpflichtet. Zur „Belohnung“ gab es früher eine Malzeit, heute gibt es meistens einen Schnaps.
Das Bescheid-Tüchlein bringen die Hochzeitsgäste mit und überreichen damit ihren finanziellen Beitrag zur Hochzeitsfeier. Am Ende der Feier kommt es wieder zum Einsatz. Die Gäste können darin die Essensreste einpacken und mitnehmen. Zumindest die zweite Hälfte dieses Brauchs ist vom Aussterben bedroht.
Ein richtig fieser Brauch ist das Scheiderknien. Dabei kniet der Bräutigam auf der spitzen Seite eines Holzscheites und muss beispielsweise in kürzester Zeit zehn Kosenamen für seine Braut aufsagen. Die Braut kann ihm anschließend noch weitere Aufgaben stellen. Erfüllt er sie nicht, riskiert er die Entführung der Braut. In jedem Fall ist es eine meist schmerzhafte Angelegenheit, die der Bräutigam so schnell nicht vergisst.
Autorin: Sibylle Sterzer