Warum ein Dirndl meist nicht so viel mit Tracht zu tun hat

Rund zwei Millionen Deutsche sind Mitglied in einem Trachtenverein. Sie könnten die Frage nach dem Unterschied zwischen einem ganz normalen Dirndl und einer Tracht sofort beantworten. Es geht schon bei der Wortwahl los. Die „Trachtler“ sprechen von Frauentracht und nicht von Dirndl.

Trachtenvereine pflegen Tracht und Bräuche

Tracht hat mit Tradition zu tun. Diese wird in Bayern und Österreich von meist im 19. Jahrhundert gegründeten Vereinen bis zum heutigen Tag gepflegt. Oft hat sich auch seit dem Gründungsdatum nicht mehr viel an Tracht und Traditionen geändert. Das Dirndl dagegen unterliegt der Mode, wie andere Kleidungsstücke auch. Mal sind die Röcke ein wenig kürzer, dann wieder deutlich über dem Knie und auch farblich kann sich da von Jahr zu Jahr einiges ändern

Strenge Trachtenvorschriften bis unter den Rock

Die Trachtenvorschriften in den Vereinen sind streng und bis unter den Rock geregelt. Beim größten deutschen Trachtenverein, dem Oberstdorfer Trachtenverein ist die Frauentracht aus der früheren Werktagstracht hervorgegangen.

Ein langer, hellgrauer Rock schließt sich an ein schwarzes Samtmieder an, unter dem eine weiße Bluse mit Puffärmeln und zu Schleifen gebundenen Bändern über den Ärmelbündchen getragen wird. Die Bluse hat einen viereckigen, spitzenverzierten Ausschnitt. Eine silberne Panzerkette mit Talern verschließt das Mieder kreuzweise. Unter dem Rock werden schwarze Strümpfe getragen – und garantiert fände sich bei genauerem Nachsehen auch noch ein Unterrock. Über dem Rock liegt eine grüne Schürze. Bei den grünen Schürzen sind sich die verschiedenen Trachtler übrigens selten einig, ebenso wie bei den kurzen Lederhosen für die Männer. Die Frauen tragen keine Kopfdeckung und dafür das geflochtene Haar hochgesteckt. An den Füßen trägt die Trachtlerin Spangenschuhe.

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Die kurze Lederhose gilt für alle Männer

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Die Männertracht geht ganz klar auf Prinzregent Luitpold von Bayern zurück, der 1852 verfügte, dass seine Jäger und Treiber eine kurze Lederhose zu tragen haben. Bei den Oberstdorfern ist diese mit grüner Stickerei verziert. Die grünen Hosenträger haben aufgestickte Edelweiß und unter einer grauen Lodenjacke, dem „Kittel“, wird ein weißes Leinenhemd getragen. Die Modlstrümpfe sind mit einem einfarbigen hellgrauen Zwetschgenmodl (Stricktechnik rund um den Umschlag) verziert. Auf dem Kopf trägt der Oberstdorfer einen grünen Plüschhut mit einem Gamsbart, der nach hinten zeigt.
Zum Vergleich: Bei den Altstädtenern trägt die Frau Hut. Und zwar einen grünen Filzhut mit breitem rundherum eingeschlagenen Rand und darauf einen weißen Flaum aus dem Untergefieder des Steinadlers. Die Rockfarbe kommt auf das Alter an: Rot (Jugend/Freude), weiß (Reinheit/Feierlicher Anlass) oder blau bzw. schwarz (Alter/Ernst). Die Schürze darüber ist wieder grün. Drunter trägt die Altstädterin aber eine weiße Strumpfhose und der Herr zur kurzen Lederhose glatte, graue Kniestrümpfe mit dreireihigem, dunkelgrünen Modl.
Und bei den Werdenfelsern ist das Frauengewand aus blauem Wollstoff und langärmelig. Dazu trägt die Werdenfelserin ein weißes Schultertuch aus Seide und mit Fransen sowie eine mehrreihige Kropfkette. Auf dem Kopf sitzt der Werdenfelser Scheibling, ein grüner Hut mit einem Adlerflaum. Die Haare sind im Nacken zum Dutt geflochten und werden mit Filigrannadeln aus Silber festgesteckt. Der Herr trägt zur kurzen Lederhose Loferl (Wadenwärmer) mit einem weiß-grünen Muster und auf dem Kopf einen Scheibling mit Gamsbart.

Mit dem Dirndl gehört frau „dazu“

Mit Minidirndl, Nylons und Ballerinas, Stöcklschuhen oder Chucks entfernt man sich also ziemlich weit von dem, was so als Tracht gilt. Aber, wie wir gelernt haben, geht es ja der modernen Dirndlträgerin nicht so sehr um „die Erhaltung und Pflege von Trachten und Bräuchen“ wie in den Vereinen, sondern um das Gefühl der Zusammengehörigkeit und ein Symbol der regionalen Zugehörigkeit.

Autorin: Sibylle Sterzer